Reichsfreiherr Hans Christoph von Gagern

Veröffentlicht am 20.06.2016 in Allgemein

Das Wohn- und Ministerialgebäude von Gagerns in der Mauerstraße 25 in Weilburg – dem heutigen Amtsgericht

Lebensbild eines nassau-weilburgischen Ministers  -  Vor 250 Jahren – am 25. Februar 1766 – wurde im Schlösschen Kleinniedesheim bei Frankental in der Pfalz der Reichsfreiherr Hans Christoph von Gagern geboren. Er stand von 1787 bis 1811 in nassau-weilburgischem Staatsdienst. Danach wirkte er in Österreich, wo er 1812 wegen Beihilfe am Aufstand der Tiroler ausgewiesen wurde. Er ging nach England und setzte sich dort für die Wiedereinsetzung des Prinzen von Oranien in den Niederlanden ein. 1815 nahm er dann als leitender Minister der oranjischen Fürstentümer am Wiener Kongress teil. Dort setzte er die Vereinigung Belgiens mit dem neuen Königreich der Niederlande durch und war bis 1818 niederländischer Gesandter beim Bundestag.

Hans Christoph von Gagern war der Vater von sechs Söhnen und vier Töchtern. Der bekannteste Sohn ist der bedeutende Staatsmann Heinrich von Gagern. Zwei weitere Söhne, der 1794 in Weilburg geborene Friedrich und der ebenfalls in Weilburg geborene Maximilian, spielten als Feldherren und Staatsmänner eine bedeutende Rolle in der europäischen Politik.

Hans Christoph von Gagern entstammte einem ritterlichen Geschlecht, das noch nicht lange in der Pfalz ansässig war. Der Vater, Carl Christoph, stand als Obersthofmeister und  später als Geheimer Rat im Dienst des Herzogs Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken.   

Drei bedeutende Schulen formten den Geist des jungen Gagern. Nach der Übersiedlung der Familie nach Worms besuchte er die dortige Exjesuitenschule. Deren weltoffene Lehrer erschlossen ihm die Werke eines Cicero, Horaz, Marc Aurel und Vergil. Für ihn waren sie die Lehrbücher der Lebensweisheit und der Staatskunst. Diese wichtigen Bildungsgüter wurden an dem herzoglichen Gymnasium in Zweibrücken, das als die alte Hornbacher Schule galt, noch vertieft. In Zweibrücken wohnte er nicht bei seiner Familie, sondern bei dem Leiter der dortigen Malschule, Johann Christian Mannlich, dem späteren Gründer der Münchener Pinakothek. Mannlich führte ihn an die Welt der Künste heran. Die dritte Station seiner Schulzeit bildete Colmar mit der Ecole academique. Dort lehrte G.C. Pfeffel, ein bedeutender Jurist, der dem französischen König den Offiziersnachwuchs ausbildete.

So gut vorbereitet, begann von Gagern im Jahre 1781 in Leipzig Rechtswissenschaften zu studieren. 1783 zog es ihn zu der berühmten Alma mater in Göttingen. Hier vervollkommnete er sein historisch-politisches Wissen. Nachdem er 1785 seine Studien abgeschlossen hatte, begann er als Assessor seinen Dienst in der herzoglichen Regierung von Pfalz-Zweibrücken. Wegen der unglücklichen Liebe zu der Frau seines Freundes, des Baron von Cloot, quittierte er den Dienst.

Im Frühjahr 1787 berief ihn Fürst Carl Christian von Nassau-Weilburg (1755 – 1788) als Regierungsrat. Das kleine, nur 35 000 Menschen umfassende Fürstentum bot ihm ein reiches Arbeitsfeld und sollte ihm fast 25 Jahre lang Lebensaufgabe sein. 1788 trat Fürst Friedrich Wilhelm (1788 – 1816) nach dem Tode seines Vaters an die Spitze des Fürstentums. Bald schon wurde von Gagern dem jugendlichen Fürsten zum engsten Berater und Freund. 1790 ernannte ihn dieser zum Geheimen Rat und zum Präsident aller Regierungskollegien. Von Gagern führte in der Verwaltung längst fällige Reformen durch. Doch bevor diese wirksam werden konnten, begannen die Wogen der Französischen Revolution auch die Grenzen Deutschlands zu überrollen und rissen auch das kleine Nassau in die Wirren eines langen Krieges.

Für den nassauischen Minister begann damals ein neuer Lebensabschnitt. In der kurpfälzischen Residenz in Mannheim lernte er die 17jährige Charlotte von Gaugreben kennen und hielt 1793 um ihre Hand an. In dieser turbulenten Zeit wurde von Gagern die Ohnmacht und Schwäche des Reiches deutlich. Daher forderte er im Sommer 1794 in der Flugschrift „Ein deutscher Edelmann an seine Landsleute“, dass Deutschlands beste Fürsten und Generale mit den Dichtern und Gelehrten des Volkes eine Reichsreform vorbereiten sollten. Doch seine Vorschläge und auch andere Pläne von Gagerns blieben Wunschträume. Das Reich zerfiel zusehends.

Zunächst zogen preußische und österreichische Truppen durch das Land und dann drangen Soldaten der Koalitionsarmee in das Fürstentum ein. Überstürzt musste der Fürst 1799 mit seinem Hofe fliehen. So floh auch die Familie von Gagern mit nach Bayreuth, das damals zu Preußen gehörte. Dies ist auch der Grund dafür, dass Heinrich von Gagern am 20. August 1799 in Bayreuth geboren wurde. Von Bayreuth aus ging von Gagern nach Mainz, um mit den neuen Herren des Landes über die Rückgabe der besetzten Gebiete zu verhandeln. Doch dieses Vorhaben misslang. In Mainz geriet er in höchste Lebensgefahr, aus der er sich nur durch einen tollkühnen Ritt über den zugefrorenen Rhein retten konnte. Ein Jahr später kehrte die Familie nach Weilburg zurück. Zunächst hatte man eine Wohnung im Schloss, bevor man in ein herrschaftliches Haus in der Mauerstraße (Anm.: heutiges Amtsgericht) umzog, das Wohnhaus und Ministerialgebäude war.

Nach dem Frieden von Luneville (1801) begann von Gagern sich verstärkt um das Wohl seines eigenen Landes zu kümmern. Mit Hilfe seiner Freunde aus der Colmarer Zeit konnte er sich in Paris Napoleons Außenminister, dem mächtigen Talleyrand, nähern. So rettete er 1803 im Reichsdeputationshauptschluss für seinen Fürsten nicht nur die Krone, sondern er konnte sein Land fast um das Doppelte vergrößern, denn die im Jahre 1801 an Frankreich verloren gegangenen linksrheinischen Besitzungen wurden mit rechtsrheinischen Gebieten des Erzstifts Trier entschädigt. Dadurch wurde Nassau damals zu einem mächtigen Mittelstaat. Diese Entwicklung der Stärkung Nassaus setzte sich bei der Schaffung des Rheinbundes (1806) noch fort, als der Fürst in den Herzogstand erhoben wurde.

Für von Gagern stellten sich in den nächsten Jahren schwere Aufgaben, denn das bunt zusammen gewürfelte Gebiet musste zu einer Einheit umgewandelt werden. Der modern denkende Staatsmann versuchte dabei seine Ideen eines liberalen Staates in die Wirklichkeit umzusetzen. Dies wiederum hätte eines Friedens bedurft. Diesen aber wollte Napoleon seinen östlichen Nachbarn nicht gönnen. In der Folge wurden die beiden größten deutschen Staaten zum Werkzeug Napoleons, so dass das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen zerfiel.

Ein Dekret Napoleons, wonach kein auf dem linken Rheinufer Geborener auf der rechtsrheinischen Seite ein öffentliches Amt bekleiden durfte, zwang ihn aus dem Staatsdienst auszuscheiden. Daher kehrte von Gagern 1811 Nassau den Rücken und suchte sich in Wien einen neuen Wirkungskreis.

Durch den Einfluss des Freiherrn vom Stein erhielt er eine Aufgabe im Dienste Wilhelms von Oranien. In den Niederlanden schuf er nun Ansätze eines modernen Staates. Das Amt als holländischer Staatsrat hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich auch weiterhin für sein Vaterland leidenschaftlich einzusetzen. Immer wieder trat er für die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches und des deutschen Kaisertums ein.

Als Vertreter Luxemburgs, damals holländische Provinz, im Deutschen Bundestag in Frankfurt versuchte er seinen Einfluss auf das rechte Maß zwischen der Überspannung der fürstlichen Autorität und dem erwachenden Individualismus des Bürgertums zu wahren. Die Pläne Metternichs aber stimmten damit nicht überein und so verlies von Gagern bereits  1818 Frankfurt.

In Darmstadt wartete eine neue Aufgabe auf ihn. Nachdem das Herzogtum Nassau (1814) und Sachsen-Weimar (1816) liberale Verfassungen eingeführt hatten, gelang es ihm 1820 in Hessen-Darmstadt monarchische und demokratische Elemente zu einer Einheit zu verbinden.

Voller Kummer erlebte von Gagern auf seinem Alterssitz, dem Gut in Hornau bei Höchst, dass Deutschlands politisches Gleichgewicht immer stärker bedroht wurde. Die Wirren der Julirevolution von 1830 in Paris dehnten sich auch auf Deutschland aus und riefen Unruhen hervor.

Als Mann des Ausgleichs stand Hans Christoph von Gagern trotz aller Skepsis in der deutschen Revolution von 1848 nicht abseits, doch sein alter Schwung war nicht mehr vorhanden. In der Paulskirche gehörte er zwar zu den Politikern, auf deren Wort man hörte, doch hier überließ er Jüngeren, nicht zuletzt seinem Sohn Heinrich die Führung.

Im Alter von 86 Jahren starb Hans Christoph von Gagern am 22. Oktober 1852. Mit ihm trat einer der letzten Repräsentanten des alten Deutschlands und des alten Europas von der politischen Bühne ab. Man darf ihm bezeugen, dass er ein wichtiges Bindeglied zu einer neuen Zeit gewesen ist. [hum]

 

Literatur:

  • Christian Spielmann:  „Geschichte der Stadt und Herrschaft Weilburg“.
  •  „ Blick in die tausendjährige Geschichte der Stadt Weilburg“.
  • Hans Christoph von Gagern: „Mein Anteil an der Politik“. Stuttgart 1823.

 


 

Verfasser des Beitrags „Reichsfreiherr Hans Christoph von Gagern - Lebensbild eines nassau-weilburgischen Ministers“ ist Heinz-Ulrich Mengel (Foto), langjähriger Weilburger Kommunalpolitiker und ehemaliger Fraktionsvorsitzender der SPD.

 
 

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