Manfred Schiebel aus Kirschhofen erinnert sich

Veröffentlicht am 05.10.2018 in Allgemein

Wer kann sich heute noch an das Leben in der DDR und die Besuche erinnern? Ein kleiner Rückblick von Manfred Schiebel

Ein Rückblick zum Tag der Deutschen Einheit

Jedes Jahr, am 3. Oktober, feiert Deutschland den Tag der Deutschen Einheit. Als deutscher Nationalfeiertag erinnert er an die deutsche Wiedervereinigung. Gleichzeitig denken viele Menschen an das Leben und das Zusammenleben in zwei deutschen Staaten zurück. Manfred Schiebel aus Kirschhofen hat seine Erinnerungen aufgeschrieben und bei Facebook veröffentlicht. Mit seiner Zustimmung veröffentlichen wir nachfolgend diesen Beitrag:

Die Fahrt in die "Ostzone"

Ich denke gerade etwas über den „Tag der Deutschen Einheit“ nach. Verwandte von uns waren nach dem Krieg im anderen Teil Deutschlands gelandet. Meine Großeltern, die Eltern meiner Mutter, lebten in Zwickau in Sachsen. Eine Tante meiner Mutter, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Ilmenau, im Thüringer Wald. Sie betreute meine Urgroßeltern, die kurz bevor sie starben, über 70 Jahre miteinander verheiratet waren. Im Kreise ihrer Familie konnten sie ihre Eiserne und Ihre Gnadenhochzeit feiern. Der Urgroßvater sprach gerne von der Zeit als er beim „Herrn Grafen“ als Kutscher beschäftigt war. Die Familie meiner Mutter stammte ursprünglich aus Schlesien. Jedes Jahr in den Sommerferien fuhren meine beiden jüngeren Geschwistern, ich und unsere Mutter nach Sachsen und in den Thüringer Wald. Erst hieß es, wir fahren in die Russenzone, später dann Ostzone. Schon vor der Fahrt wurden wir Kinder instruiert, was wir sagen durften und worüber wir nicht sprechen sollten. Die Großeltern und die Tante mussten beim Rathaus ein Einreisevisum für uns besorgen. Am Tag nach der Ankunft mussten wir uns beim Rathaus anmelden. Meine Tante aus dem kleinen Thüringer Dorf sagte uns, mit welchen Kindern wir nicht spielen sollten. Stets hatte sie ein Auge auf uns. Wir als Kinder, verstanden natürlich nicht die Hintergründe.

Erfurt war verboten

Als ich 17 Jahre alt war, zwischenzeitlich fuhren wir in die DDR, wollte ich einmal nach Erfurt fahren, um mir einige Bücher über Handballtraining zu kaufen. Erfurt gehörte aber nicht mehr zum Regierungsbezirk Suhl, für den unser Visum galt und den wir nicht verlassen durften. Also sagte ich zu meiner Tante, ich fahre mit dem Bus nach Ilmenau. Natürlich bin ich aber nach Erfurt gefahren, habe mir die Stadt angesehen und meine Bücher gekauft. Als ich am späten Nachmittag, nach einer abenteuerlichen Busfahrt, wieder bei meiner Tante ankam, erzählte ich ihr stolz von meiner Fahrt nach Erfurt. Sie hat fast der Schlag getroffen. Willst Du denn eingesperrt werden, fragte sie mich. Wer wird denn wegen einer Busfahrt nach Erfurt eingesperrt, fragte ich mich. Den Rest der Ferien durfte ich Böhlen natürlich nicht mehr verlassen und stand unter verschärfter Aufsicht meiner Tante.

In Zwickau, einer größeren Stadt in Sachsen, war es natürlich interessanter. Hier habe ich zum ersten Mal ein Kaufhaus betreten und bin auf einer Rolltreppe gefahren. Ich fuhr mit der Straßenbahn durch ganz Zwickau. Mein Großvater lief mit uns nach Planitz in das Fußballstadion. Dort haben wir ein Spiel von Motor Zwickau gesehen. Im Tor der Zwickauer Mannschaft stand Jürgen Croy, der später in der Nationalmannschaft der DDR spielte und einer der besten Torhüter der Welt wurde.

Es gab nur kaltes Wasser

Meine Großeltern hatten eine kleine, bescheidene Wohnung im Dachgeschoss eines Hauses mit sechs oder sieben Geschossen. Zum Heizen gab es zwei Öfen, die mit Holz und Kohle befeuert wurden. Holz und Kohle musste aus dem Keller, über eine Treppe, bis ins Dachgeschoss geschleppt werden. Das haben wir aber nur gemerkt, wenn wir in den Herbst- oder Winterferien zu Besuch waren. In den Sommerferien war es im Dachgeschoss auch ohne Heizung heiss genug. Fließendes, nur kaltes Wasser, gab es nur im Treppenhaus; ein Wasserhahn für drei Wohnungen. Die Toiletten waren ebenfalls im Treppenhaus; immerhin schon mit Wasserspülung. Gebadet wurde in einer großen Zinkwanne in einem Speicherraum. Immer schön in Absprache mit den Bewohnern der beiden anderen Wohnungen des Dachgeschosses. Wir Kinder wurden von den Großeltern bei jedem Besuch großzügig neu eingekleidet. Allerdings durften Textilwaren nicht ausgeführt werden. Also wurden alle Schildchen von der Kleidung abgetrennt und wir wurden beauftragt, die Sachen schmutzig zu machen, damit sie nicht mehr so neu aussahen, und wir sie mit nach Hause nehmen konnten.

Strenge Kontrollen an der Zonengrenze

Die Rückfahrt bis zur Zonengrenze war für meine Mutter stets die Hölle. Sie hatte immer fürchterliche Angst vor den strengen Kontrollen an der Grenze. Erst nachdem diese überstanden war, ging es ihr besser. Wir brauchten aber all die Jahre nie etwas an der Grenze abgeben. Doch einmal wurde mir bei der Einreise ein Fix und Foxi-Heftchen abgenommen. Meine Großeltern und die Tante meiner Mutter durften uns in der BRD erst besuchen, als sie über 65 Jahre alt waren. Im Jahr 1969 sind meine Großeltern aus der DDR ausgesiedelt, um zu ihrer Tochter zu ziehen. Ihr Sparvermögen, mussten sie in der DDR lassen. Es wurde auf ein Sonderkonto umgebucht. Meine Mutter durfte jährlich einem bestimmten kleinen Betrag abheben, wenn sie ihre Tante in Thüringen besuchte. Der größte Teil des Sparvermögens wurde als Erbschaftssteuer vom Staat (DDR) abgebucht.

Wunderschöne Städte und Landschaften

Leider kam die Wiedervereinigung für unsere Familie zu spät. 1990 hatten wir in der DDR keine nähere Verwandtschaft mehr. Trotzdem ist es schön, dass man nun jeden Teil unseres Landes problemlos besuchen und ansehen kann. In den neuen Bundesländern gibt es wunderschöne Städte und Landschaften. Ich bin sehr froh und glücklich, dass ich die Wiedervereinigung unseres Landes erleben durfte.

Manfred Schiebel, Kirschhofen

 
 

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